In Sachen Klimapolitik läuft es in der Europäischen Union (EU) auf Hochtouren. Die derzeitige EU-Kommission unter der Präsidentschaft von Ursula von der Leyen hat noch ein Jahr, um die grossen Vorlagen im Rahmen des European Green Deals über die Ziellinie zu bringen. Denn: Im Herbst 2024 stehen die nächsten EU-Wahlen an. Teil des Europäischen Klimapakets ist auch der 2020 vorgestellte EU-Aktionsplan Kreislaufwirtschaft (Circular Economy Action Plan, CEAP). Der CEAP umfasst 35 Initiativen, die die EU zirkulärer aufstellen sollen. Darunter sind auch einige mit Relevanz für die Schweizer Baubranche. Im Folgenden verschaffen wir Ihnen einen Überblick über den aktuellen Stand, was kommt und was es für die Schweiz bedeutet.
Revision Bauprodukteverordnung
Zurzeit übernimmt die Schweiz die 2011 veröffentlichte europäische Bauprodukteverordnung (Construction Products Regulation, CPR) im nationalen Bauproduktegesetz (BauPG) und der entsprechenden Verordnung (BauPV). Das Gesetz deckt das Inverkehrbringen von Bauprodukten auf dem Europäischen Markt (nicht aber die Verwendung, Inbetriebnahme oder Installation). Seit 2008 haben die Schweiz und die EU eine staatsvertragliche Vereinbarung (Mutual Recognition Agreement, MRA) für Bauprodukte. Dadurch wird das Inverkehrbringen von schweizerischen Bauprodukten im EU-Raum und umgekehrt erleichtert.
Die aktuelle europäische CPR enthält nur wenige Bestimmungen in Bezug auf die Klimaverträglichkeit oder Kreislauffähigkeit von Bauprodukten. Dies möchte die EU ändern und hat deshalb 2022 eine Revision der existierenden Regeln vorgeschlagen. Der neue Verordnungstext spricht bereits im ersten Artikel ausdrücklich von neuen Berichterstattungspflichten über die Umwelt-, Klima- und Sicherheitsleistung von Bauprodukten. Welche genauen Kriterien gelten werden, ist indes noch nicht bekannt. Die Revision wird zurzeit im Europäischen Parlament und zwischen den 27 EU-Mitgliedstaaten diskutiert. Eine Einigung wird bis Frühjahr 2024 erwartet. Wichtig: Auch nachdem die Mitgliedsstaaten der Revision zustimmen, wird die alte Bauprodukteverordnung noch in Kraft bleiben. Die Kommission geht in ihrer Folgenabschätzung von 2021 davon aus, dass der gesamte Prozess des Übergangs von der alten zur neuen CPR fünf bis zehn Jahre und spätestens bis 2045 dauern könnte.
Für die Schweiz ist diese Revision insofern relevant, da für die Sicherstellung der Äquivalenz der Schweizer Bauprodukte, mit denen der Nachbarländer die neuen CPR-Regeln und allfällige Klima-Berichterstattungspflichten übernommen werden müssten. Betroffene Hersteller tun also gut daran, die Entwicklungen in der EU aufmerksam zu verfolgen.
Europäische Ökodesign-Richtlinie und Einführung von Produktpässen
Zeitgleich mit der Revision der Bauprodukteverordnung wurde eine neue, europäische Ökodesign-Richtlinie vorgestellt. Ihr Ziel ist es, dass Produkte langlebiger, wiederverwendbar, reparierbar, recycelbar und energieeffizienter hergestellt werden. Deshalb legt die neue Richtlinie die Grundlagen für eine schrittweise Einführung eines digitalen Produktpasses (DPP) in mindestens drei Schlüsselmärkten fest. Zu den Schlüsselmärkten gehören: Textilien, das Bauwesen und Industrie- und Elektrofahrzeugbatterien. Für letztere greifen die Anforderungen für einen Produktpass bereits ab 2026. Jede Batterie mit einer Speicherkapazität von über 2 kWh muss folgende Daten in ihrem Produktpass enthalten: 1) ihre Materialbeschaffung, 2) ihren CO2-Fussabdruck, 3) den Prozentsatz der verwendeten recycelten Materialien, 4) ihre erwartete Lebensdauer und 5) Angaben zu Wiederverwendung und Recycling. Während diese Kriterien auch für Bauprodukte relevant sein dürften, werden die digitalen Produktpässe für jede Produktkategorie auf der Grundlage einer branchenweiten Konsultation der Interessengruppen bestimmt. Es kann also gut sein, dass die Kriterien andere sein werden. Wichtig: Für das Bauwesen soll die Ökodesign-Richtlinie subsidiär, also nachgelagert zur Bauprodukteverordnung gelten und insbesondere energierelevante Produkte im Speziellen regeln (z.B. Wärmepumpen, Heizungen, Solar etc.).
Die Ständerätin (VD) Adèle Thorens Goumaz hat 2021 eine Interpellation zur Übernahme der EU-Produktpässe lanciert. Der Bundesrat schrieb in seiner Antwort 2021, dass die Schweiz aufgrund der grossen Fragezeichen zu den EU-Produktpässen vorerst nichts unternehme und zuwarte. Die Produktpässe könnten aber in Verbindung mit der Bauprodukteverordnung auch für Schweizer Hersteller, die den EU-Markt beliefern, eine Notwendigkeit werden.
Andere wichtige Vorlagen
Pipeline
Autorin: Lea Hatt. Lea hat vor Antritt ihres Praktikums bei Circular Hub in Brüssel auf der Schweizer EU-Mission gearbeitet.
Bildquelle: Carl Campbell, Unsplash