Kreislaufwirtschaft als Strategie für urbane Räume
Laut den Vereinten Nationen steigt der Anteil der städtischen Bevölkerung bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts von aktuell 55% auf 68%. Zwei Drittel der weltweiten Energie und rund 70% aller Ressourcen werden in Städten genutzt.
Viele Städte wenden sich dem Konzept der Kreislaufwirtschaft zu, um die urbanen Herausforderungen als gesamtgesellschaftliche Chancen zu nutzen. Die Europäische Umweltbehörde bringt die Vorteile auf den Punkt.
- Ökonomische Vorteile: neue Möglichkeiten für Wachstum und Innovation sowie Einsparungen aufgrund höherer Ressourceneffizienz
- Verbesserte Ressourcensicherheit und sinkende Abhängigkeiten von Importen dank niedrigerem Rohstoffbedarf
- Reduzierte Umweltauswirkungen einschließlich einer drastischen Reduzierung von Treibhausgas-Emissionen
- Soziale Vorteile, zum Beispiel Schaffung neuer Arbeitsplätze für alle Kompetenzniveaus und Veränderungen im Konsumentenverhalten
Kreislaufwirtschaft ist realistisch und profitabel
Seit 2015 untersucht Amsterdam die Möglichkeiten der Kreislaufwirtschaft in der Stadt und im erweiterten Metropolraum. Ende 2018 wurden die Ergebnisse und Erkenntnisse von über 70 Kreislaufprojekte veröffentlicht und zeigen: Kreislaufwirtschaft ist realistisch und profitabel. Realistisch, denn Stoffkreisläufe liessen sich lokal schliessen. Profitabel, denn zirkuläre Projekte erwiesen sich ökonomisch wettbewerbsfähiger als lineare Modelle, wenn die externen Kosten mitkalkuliert werden.
Regeneration und Anpassung
Das Amsterdam Economic Board (AMEC) hat auf seinem Weg die Kreislaufwirtschaft aus systemischer Sicht definiert. Da Unternehmen, Organisationen und Verbraucher untereinander im Wirtschaftssystem verbunden sind, hat jede Handlung eines Akteurs einen Effekt auf die anderen Akteure.
Das AMEC ist sehr klar: «To take account of this, in decision-making it is crucial to consider both short- and long-term consequences, and the impact of the entire value chain, and to endeavour to create a more resilient and adaptive system that is effective at every scale.»
Regenerative Systeme minimieren aufgrund eines systematischen Kreislaufdesigns von Materialien, Produkten, Geschäftsmodellen und Prozessen die Nachfrage nach Primärrohstoffen. Ein solches System ist nicht nur in der Lage, ultimativ ohne externen Ressourceninput zu überleben, sondern passt sich neuen Bedingungen und Begebenheiten relativ schnell an.
Wie kann der richtige Impuls gesetzt werden, dass der Wandel beginnt?
Über den Weg von «Circle City Scans» hat man in Amsterdam die Ansatzpunkte für den Weg des Wandels identifizieren können. Indem die «Löcher» entlang der gesamten Wertschöpfungskette definiert wurden, konnten finanzielle und ressourcenbezogene Verluste sichtbar gemacht werden. Diese Transparenz über den aktuellen Kreislauf hat in der Konsequenz dazu geführt, dass die Notwendigkeit und Dringlichkeit für eine Veränderung offenbar wurde. Nachdem eine Gruppe von Vorreitern mit der Identifizierung von smarten, ressourcenschonenden Lösungen den «Proof-of-Concept» für die Kreislaufwirtschaft erbracht hat, stellt sich die Stadt Amsterdam nun der nächsten Herausforderung: Wie gelingt es, Zirkularität zu skalieren und zu standardisieren, so dass Amsterdam in 2050 eine durchgehend zirkuläre Stadt ist?
Die Hebelwirkung der öffentlichen Hand für den nächsten Schritt
Sowohl Unternehmen als auch die öffentliche Hand befinden sich heute immer noch in der Innovationsphase: Nach wie vor werden nicht-zirkuläre Produkte in grossem Stil verkauft, im Bausektor wird noch auf traditionelle Weise gebaut und grosse Mengen an Primärressourcen fliessen in lineare Wertschöpfungsketten. Eine grosse Hebelwirkung hat die Stadt Amsterdam bei sich selber identifiziert.
Die Evaluierung hat gezeigt, dass die Transparenz bei der Preisgestaltung negativer externer Kosten von Produkten und eine nachhaltige Preisfindung weitere Aufmerksamkeit erfordert. Wenn faire Preise der neue Standard sind, werden nicht-zirkuläre Produkte teurer. Übernimmt die öffentliche Hand hier eine aktive Rolle als Nachfrager, kann sie vor allem in den Bereichen Bau, Food und Konsumgütern eine Dynamik erzielen. Diese drei Wertschöpfungskreisläufe haben nicht nur einen hohen Einfluss auf die Umwelt, sondern sind bereits im Fokus der Bemühungen der Europäischen Union und der niederländischen Regierung.
Pilot- und Leuchtturmprojekte der Circular Cities Switzerland
Die Stadt Basel geht mit Bern, Lausanne und weiteren Schweizer Städten einen ähnlichen Weg wie die holländischen Städte. ecos und Circle Economy aus den Niederlanden nehmen diese Städte auf eine systematische und gleichzeitig explorative Reise. In der Schweiz wird der «Circle City Scan» als Instrument angewendet, um Materialströme in Städten zu erfassen und darauf aufbauend, Veränderungsmöglichkeiten zu identifizieren. In der von der MAVA-Stiftung unterstützten Initiative Circular Cities Switzerland werden die Materialflüsse in sogenannten Fokusgebieten ermittelt und analysiert. Dabei wurden bisher unter anderem die Bereiche Bauwesen, Städtisches Immobilien(-management), Tourismus, Privathaushalte, Ernährung, Wasser-/Energie- und Abfallmanagement beleuchtet. In ergebnisoffenen Multistakeholder-Prozessen wird das Potential für Pilotprojekte analysiert und selbige entwickelt. Als erste Ideen für Pilotprojekte werden etwa in Basel Container für Take-Away-Verpackungen, ein Marktplatz für sekundäre Baumaterialien, eine anreizbasierte „Food Saving App“ oder «Furniture-as-a-Service» für die öffentliche Beschaffung diskutiert.