Eine Spielzeugfabrik wird zu einem Coworking-Space

Der Gloria Lenzburg Coworking Space ist ein wahres Leuchtturmprojekt des zirkulären Baudesigns: das Gebäude war früher eine Spielzeugfabrik, grosse Teile der Innenausstattung wurden vor der Entsorgung gerettet und im Büro steht ein Trocken-WC zur Minimierung des Wasserverbrauchs. Leitender Architekt Christian Müller (gutundgut gmbh) beantwortet den Circular Hub Use-Case Fragebogen zum zirkulären Ansatz des Projektes.

Was macht Ihr Gebäude zirkulär?

 a. Inwiefern ist Ihr Design-Konzept zirkulär?

Alle Möbel in der rund 400 Quadratmeter grossen Bürolandschaft, in Sitzungszimmern, Werkstatt und Kreativraum, als auch Küche, Sanitäranlage und alle Fenster für die akustische Abgrenzung der Sitzungsräume waren bereits zuvor an anderer Stelle im Einsatz. Als Ergebnis unserer kreativen Suche konnten wir alles kostengünstig erwerben, mieten oder gar gratis übernehmen. 

b. Was ist Ihr Impact auf das Ökosystem?

Ökosystem: Als Pioniertat darf die Trockentoilette bezeichnet werden. Es ist die erste wasserlose Toilette in einem Büroumbau oder einem Coworking Space der Schweiz. 

Gesellschaft: Ein wichtiges Anliegen ist uns die Vernetzung im Wisa-Gloria-Areal. Der Coworking Space ergänzt den bestehenden Mix und leistet einen aktiven Beitrag zur Vernetzung. Der Verein «Kultur im Gloria» sorgt mit regelmässiger Organisation von (Kultur-)anlässen für eine Vernetzung der Coworkerinnen und Coworker auch ausserhalb der Arbeitszeit und unterstützt nicht kommerzielle Initiativen im Gloria Coworking Space. 

c. Inwiefern ist der Faktor Zeit mitgedacht?

Der Gloria Coworking Space wurde in der ehemaligen Spielzeugfabrik Wisa Gloria in Lenzburg realisiert. Das 1932 errichtete Gebäude zeugt bereits von Langlebigkeit. Die robuste Gebäudestruktur mit Raumhöhen von 4m ist flexibel für verschiedenste neue Nutzungen. Alle Einrichtungselemente im Gloria Coworking Space sind zukünftig reversibel. 

Wie unterstützt Ihr Tun / Produkt die Baubranche darin, den systemischen Wandel hin zur «Zirkularität» zu erreichen? 

Die 70 Fenster für die Sitzungsräume gehörten zu Laubengängen eines Wohnungsbaus in Wohlen, nur 10 km vom Space entfernt. Anstatt kostenpflichtig in einer Abfalldeponie zu landen, erhielten die Fenster im Coworking Space ein zweites Leben. Die Entsorgungskosten für diese Elemente wären höher gewesen, als sie sorgfältig zu demontieren und in den Coworking Space zu liefern. Dies war ein Augenöffner für die Bauherrschaft und beteiligten Bauunternehmen. 

Unser Zimmermann hatte keine Erfahrung in Zirkularität. Der Gloria Coworking Space gab ihm die Möglichkeit, Erfahrungen zu sammeln, die er bei seinen zukünftigen Aufträgen anwenden möchte.  

«Zirkularität bietet der Kreativität und dem Unternehmergeist ungeahnte Möglichkeiten. Zirkularität macht Spass.»

Christian Müller, leitender Architekt verantwortlich für den Umbau des Gloria Lenzburg Coworking Space

Was war Ihre Haupt-Herausforderung und Ihr Haupt-Learning bis jetzt?  

Herausforderung: Wir hatten gerade mal neun Monate Zeit von der ersten Projektidee bis zur Eröffnung des Gloria Coworking Space. Das Design und die Architektur müssen flexibel genug sein, um auf die Verfügbarkeit von Möbeln zur Wiederverwendung zu reagieren. Dies bei Wahrung unserer hohen Ansprüche an Ästhetik und Komfort. Unser Projekt ist Place-Making und Place-Testing zugleich. 

Learning: Der Gloria Coworking Space beweist, dass es möglich ist, nachhaltig und kostengünstig zu bauen, ohne Abstriche an der Qualität oder der Ästhetik machen zu müssen. Das Vorurteil, dass Nachhaltigkeit und Zirkularität teuer seien und Einschränkung oder gar Verzicht bedeuten, wird mit dem Gloria Coworking Space exemplarisch widerlegt. Zirkularität bietet der Kreativität und dem Unternehmergeist ungeahnte Möglichkeiten. Zirkularität macht Spass. 

Wie messen Sie Ihren Impact? 

Impact: Verschiedene Unternehmen lassen sich von uns beraten und besuchen den Gloria Coworking Space, um sich vom Konzept des Re-Use und Re-Own inspirieren und überzeugen zu lassen. 

Nachhaltigkeit: Die wasserlose Toilette spart über 100'000 Liter sauberes Trinkwasser pro Jahr. 

Projektangaben Gloria Coworking Space: 

Ort: Lenzburg, Schweiz 

Auftraggeber: Gloria Coworking AG, eine Gruppe von 14 Investor:innen aus der Region 

Projektinitianten: gutundgut gmbh, Lenzburg - Rotterdam 

Architektur: Christian Müller, gutundgut gmbh, Lenzburg - Rotterdam 

Realisation: 2022 

Bildquelle Coworking: Christian Müller

Bildquelle Portrait: Marieta Reijerkerk

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