Denkmalpflege und Zirkularität
Vor zwei Jahren berichteten wir im CircularHub-Magazin, dass die Verbindung von Denkmalpflege und Kreislaufwirtschaft kaum erforscht war. Heute ist die Diskussion weiter – doch Prof. Dr. Silke Langenberg (ETH Zürich) betont: Wir stehen vor verschiedenen Herausforderungen.
Vom Neubau zu Bauen im Bestand – die Praxis hinkt hinterher.
Seit 2020 ist Langenberg Professorin an der ETH Zürich. Aus ihrer Sicht hat sich die Diskussion rund um Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft in der Schweiz in den letzten Jahren stark verändert: In den Studios rückt der Bestand zunehmend in den Fokus – ein erfreulicher Trend. Doch Langenberg warnt: In der Praxis dominieren weiterhin Abriss und Ersatzneubau. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen erschweren innovative Erhaltungsansätze.
Forschung: Fortschritte, aber kein Durchbruch
Neue Projekte erforschen Reparatur, Rückbau, Wiederverwendung und zirkuläres Bauen. Doch Langenberg gibt zu bedenken: Wer zu stark auf die Wiederverwendung von Bauteilen setzt, befördert unter Umständen den Abriss - denn Bauteile können nur dort gewonnen werden, wo Gebäude abgebrochen werden. Am nachhaltigsten sind Wiederverwendung und Umbau vor Ort.
Erhalt statt Erneuerungszyklen
Der Kern zirkulären Bauens liegt für Langenberg nicht im Recycling, sondern in der Verlängerung von Lebenszyklen. Fenster oder Fassaden sollten nicht automatisch nach zuvor festgesetzten Fristen ersetzt werden, obwohl sie noch funktionieren. Viele Gebäude werden nicht kontinuierlich gepflegt, stattdessen oftmals zu früh vollständig modernisiert. Reparaturen wären eine geeigente Massnahme Investitionen dann zu tätigen, wenn sie wirklich notwendig und sinnvoll sind.
Schweizer Rahmenbedingungen: Fehlanreize bremsen Erhalt
In der Stadt Zürich zeige sich, dass Aufstockungsrechte oft einen unerwünschten Effekt haben, so Langeberg. Statt bestehende Gebäude zu erweitern, werden sie abgerissen und durch Neubauten mit ein bis zwei zusätzlichen Geschossen ersetzt. Für Langenberg geht das in die falsche Richtung.
Denkmalpflege und Kreislaufwirtschaft – ein schwieriges Verhältnis
Beide Disziplinen verfolgen unterschiedliche Ziele: Die Denkmalpflege versucht möglichst viel Originalsubstanz zu erhalten, die Kreislaufwirtschaft setzt auf Zerlegbarkeit und Wiederverwendung. In Zukunft sollte gegebenenfalls durch ergänzende Bewertungskriterien auch die Transformierbarkeit als Wert berücksichtigt werden – bei gleichbleibendem Fokus auf den Erhalt.
Denkmalpflege: nur ein kleiner Teil des Bestands
Denkmalpflege gilt oft als Innovationshemmnis – zu Unrecht, betont Langenberg. Nur fünf Prozent des Schweizer Gebäudebestands stehen unter Schutz und sind daher sorgfältig zu pflegen und zu erhalten. Diesen kleinen Anteil sollte sich die Schweiz leisten können.
Förderprogramme und Anreize
Fördergelder wirken nur, wenn sie die richtigen Anreize schaffen. Programme, die den Abriss direkt oder indirekt begünstigen, stehen im Widerspruch zu den Klimazielen. Gefragt sind klare Anreize für Erhalt, Reparatur und Umbau – nicht für Ersatzneubauten.
Denkmalpflege ist nicht rückwärtsgewandt
Langenberg legt Wert auf eine Klarstellung: Denkmalpflege sei keine rückwärtsgewandte Disziplin. „Sie kümmert sich darum, wie wir bestehende Substanz in die Zukunft tragen können.“ Damit verfolgt sie dasselbe Ziel wie die Kreislaufwirtschaft: Langlebigkeit, Ressourcenschonung und Weitergabe an kommende Generationen.
Fazit
Die Themen der Denkmalpflege sind vielschichtiger geworden. Für Langenberg ist nicht Recycling der Schlüssel, sondern die Verlängerung der Lebensdauer – durch Entschleunigung und den Umbau vor Ort.
Kontakt
Prof. Dr. Silke Langenberg, Professorin für Konstruktionserbe und Denkmalpflege am Departement Architektur der ETH Zürich, langenberg@arch.ethz.ch
Foto: Kseniia Zapiatkina (Unsplash)



