Swiss Re ermöglicht Materialien ein zweites Leben

Kreislaufwirtschaft nimmt bei der Swiss Re eine zentrale Rolle ein. Das setzt das Unternehmen auch als Bauherr konkret um. Mit ihrem Neubau «Lake» am Mythenquai hat Swiss Re erste Schritte und wertvolle Erfahrungen gemacht.

«Die Strategie von Swiss Re ist darauf ausgerichtet, das ganze Geschäft bis 2050 auf CO2-net-zero hin zu führen. Dieses ehrgeizige Ziel ist ohne Zirkularität nicht zu erreichen», sagt Vincent Eckert, Leiter internes Umweltmanagement bei Swiss Re. Die Schweizer Rückversicherungs-Gesellschaft pilotiert die Kreislaufwirtschaft dort, wo es möglich ist: Zum Beispiel an ihrem Hauptsitz Campus Mythenquai in Zürich. Hier entstehen Neubauten und bestehende Gebäude werden saniert.

Wiederverwendbare Materialien und Bauteile
Mit dem Neubau «Lake» auf dem Areal des heutigen Mythenschlosses macht das Unternehmen hinsichtlich Räumung, Entkernung und Abbruch des Gebäudes wichtige Erfahrungen und lernt einiges für die Zukunft. «Im Zuge der Gebäuderäumung 2019 haben wir das brauchbare Mobiliar wie zum Beispiel Arbeits- und Sitzungszimmertische sowie Ablageregale an spezialisierte Occasions-Möbelhändler verkauft, sodass es andernorts weiterverwendet werden konnte», sagt Swiss Re Projektmanager André Gaignat. Nach der Räumung wurde das Gebäude durch ein spezialisiertes Unternehmen entkernt. Der Innenausbau und die Fassade, bis auf die Betonstruktur, wurden demontiert. Von den total 1068 Tonnen des ausgebauten Materials konnten 241 Tonnen (18 %) wiederverwendet werden. 517 Tonnen (38 %) wurden sortenrein rezykliert und 613 Tonnen (44 %) konnten einer Wertstoff-Verwertung zugeführt werden. Ein Grossteil des Second Life Materials, wie etwa Teppiche, Doppelböden, Türen und Notstromanlagen wurden in einem Projekt vom Zürcher Baubüro In Situ verwendet oder nach Bosnien-Herzegowina transportiert und dort wieder in Bauprojekte eingebaut.

«Die Strategie von Swiss Re ist darauf ausgerichtet, das ganze Geschäft bis 2050 auf CO2-net-zero hin zu führen. Dieses ehrgeizige Ziel ist ohne Zirkularität nicht zu erreichen.»

Vincent Eckert, Head Internal Environmental Management bei Swiss Re

Interesse für das Material ist da
Warum gewisse Elemente und Materialien wiedereingesetzt werden können und andere nicht, hat verschiedene Gründe. «Die Hauptherausforderung besteht darin, Abnehmer für das wiederverwendbare Material zu finden, die es genau zum Zeitpunkt des Ausbaus vor Ort abholen und nutzen können», erklärt der Projektmanager. Die Erfahrung zeige, dass das Interesse für das Material zwar oft da sei, aber der Ausbauzeitpunkt für potenzielle Abnehmer zur Unzeit komme. Im September 2020 begann der Rückbau des Mythenschlosses. «Grundsätzlich wird das Material von unserem Abbruch im Werk des Betonlieferanten rezykliert und wieder als Recycling-Beton eingebracht. Dieser rezyklierte Beton enthält nicht nur Steine von unserer Baustelle, sondern auch solche von anderen», sagt Gaignat. Sofern eine Baustelle viel Platz aufweist, könne das Betonwerk vor Ort aufgebaut werden. In den meisten Fällen sei dies aber nicht möglich.

«Unsere Erfahrung zeigt: zwar ist das Interesse für das Material oft da, aber der Ausbauzeitpunkt kommt für potenzielle Abnehmer zur Unzeit.»

André Gaignat, Projektmanager bei Swiss Re

Nutzung digitaler Methoden zur Planung
Swiss Re realisiert das Projekt «Lake» mit der Methode Building Information Modeling (BIM). Gemäss Gaignat erlaubt die Generierung eines digitalen Zwillings, also einem digitalen Bauwerksmodell, dank der strukturierten Datengrundlage eine bessere Projektierung, Ausführung und spätere Bewirtschaftung eines Gebäudes. Weiter bildet dies auch die Grundlage für eine mögliche Nutzung von Madaster, dem Schweizer Material-Kataster für Immobilien. Mit den Daten aus Madaster könne das Gebäude als Materiallager definiert werden. Bei einem zukünftigen Umbau würden die verfügbar werdenden Materialen dadurch früh genug «auf den Markt gestellt» werden können. «Den meisten fällt es schwer, konsequent über das Lebensende des Produkts nachzudenken, das man ja wahrscheinlich auch nicht persönlich erleben wird», sagt Vincent Eckert. Alle Berufsgattungen von Bauherren über Architektinnen bis hin zu Lieferanten seien hier gefordert, zusammenzuarbeiten. «Zirkularität verlangt eine wesentlich stärkere Integrierung von allen Systemen und Prozessen über den ganzen Lebenszyklus eines Gebäudes hinweg», sagt der Umweltverantwortliche. Daher sei das Pilotieren von Befähigungslösungen notwendig, um die gemeinsamen Erfahrungen und Kompetenzen zu erweitern. 
 

Kontakt
Vincent Eckert, Head Internal Environmental Management, Swiss Re
André Gaignat, Projektmanager, Swiss Re
Campus_Mythenquai@swissre.com

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