Vorteile eines geschlossenen Modekreislaufs

Die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft ermöglichen die Wiederbelebung von zentralen Werten der Modebranche: Handwerkskunst und hochwertige Materialien. Der Berufsverband Good Brand Guru erklärt, wie der Einstieg in eine zirkuläre Modebranche gelingen kann.

Früher setzten Modehäuser auf Handwerkskunst und bei der verwendeten Wolle, Baumwolle, Seide oder dem Leder auf höchste Qualität. So machten sie sich einen Namen. Egal, ob Ballkleid für die Gräfin oder strapazierfähige Hose für den Bauarbeiter – Kleidung musste sich vor allem lange tragen lassen und einen bestimmten Zweck erfüllen. Rohstoffe waren relativ teuer, da ihre Gewinnung mit einem hohen Arbeitsaufwand verbunden war. Diese Kleidungsstücke wurden mit grösster Sorgfalt getragen, gewaschen, geflickt und wiederverwendet, um so viel Nutzen wie möglich aus ihnen zu ziehen.

Doch vor einigen Jahrzehnten konnten Textilhersteller plötzlich dank neuer Technologien Fasern auf Ölbasis herstellen, zum Beispiel Polyester. Diese Stoffe waren preiswerter, in grösseren Mengen verfügbar und eröffneten Modehäusern, Einzelhändlern und Designern in Sachen Vielfalt unbegrenzte Möglichkeiten. Auch die Verbraucher sprangen auf den Zug auf, denn nun konnte man sich mehr Kleidung mit besseren Funktionsmerkmalen für weniger Geld leisten. Neue Technologien beschleunigten ausserdem den Herstellungsprozess. Dadurch wurde es günstiger, ein neues Kleidungsstück herzustellen, anstatt ein altes zu reparieren. Ausgeklügelte Marketingkampagnen führten zu einer exponentiell steigenden Nachfrage und so kauften die Verbraucher mit Freude mehr ein und wechselten ihre Garderobe fortlaufend.

Kreislaufwirtschaft eröffnet der Modebranche neue Perspektiven
Heutzutage wächst jedoch das Bewusstsein über die negativen Auswirkungen, welche die Dynamik dieser Branche auf die Umwelt ausübt – von Luftverschmutzung und verdreckten Gewässern bei der Rohstoffgewinnung und der Produktion bis hin zu den grossen Abfallmengen, die in der gesamten Wertschöpfungskette anfallen.

Doch die Prinzipien hinter der Kreislaufwirtschaft bieten uns unzählige Möglichkeiten, mithilfe deren sich die Modebranche zum Positiven verändern lässt. Wegweisende Unternehmen zeigen bereits, dass es möglich ist, zum Beispiel so:

  1. Sie geben Kleidung eine zweite Chance. Von Secondhand-Läden bis hin zu Luxus-Internetshops – der Seconhand-Markt boomt. Bereits heute ist er 24 Milliarden US-Dollar wert und soll innerhalb der nächsten fünf Jahre auf 51 Milliarden US-Dollar anwachsen. Vorangetrieben wird diese Entwicklung hauptsächlich von Millennials sowie der Generation Z, die ein Verlangen nach Neuem haben, aber gleichzeitig grossen Wert auf Umweltschutz legen. Unternehmen, die Secondhand-Mode anbieten, wie Vestiaire Collective und Beyond Retro, sowie Marken, die über Plattformen ihre eigenen Ab- und Verkaufsprogramme abwickeln, zum Beispiel Yerdle, sorgen dafür, dass weniger Kleidung auf Mülldeponien landet. Dies senkt den Bedarf nach neuen Kleidungsstücken.
     
  2. Sie bieten Kleidung zur Miete an. Die Spotifys der Modebranche, die vor ungefähr zehn Jahren aufkamen, haben einen Markt geschaffen, der mittlerweile über 1,1 Milliarden US-Dollar wert ist. Anstatt neue Kleidung zu kaufen, können Verbraucher die Kleidungsstücke mieten, die sie für einen bestimmten Anlass benötigen. Sie können so auch einen neuen Modetrend ausprobieren oder ihre Garderobe regelmässig austauschen. Ganz nach dem Motto von Rent the Runway: «Alles anziehen – ohne zu kaufen». Sowohl die Besitzer der Kleidungsstücke als auch die Unternehmen möchten so viel Nutzen aus jedem einzelnen Stück herausholen, wie nur irgendwie möglich. Daher achten sie sorgsam darauf, dass die angebotenen Produkte von guter Qualität und gepflegt sind sowie bei Bedarf repariert werden, damit sie immer wieder getragen werden können. Auch in der Schweiz hält dieser Trend Einzug. Vorreiter auf diesem Feld sind unter anderem Kleihd, Ragfair und Sharealook.
     
  3. Sie entwickeln Cradle-to-Cradle-Produkte. In den Herstellungsverfahren kommen keine giftigen Chemikalien, sondern nur natürliche, vollständig biologisch abbaubare Rohstoffe zum Einsatz. Erste Cradle-to-Cradle-Produkte sind bereits erhältlich und gewinnen an Beliebtheit. Zum Beispiel die „100% Nature“-T-Shirt-Kollektion von Calida aus Holzfasern oder die Kollektion an biologisch abbaubaren Strumpfhosen von Wolford.

Wie lässt sich Zirkularität in der Modebranche erreichen?
Die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft sind ein optimaler Nährboden für innovative Ideen. Ein echter Wandel kann allerdings nur erfolgen, wenn auch eine grundlegende Veränderung der Einstellung von Verbraucher und Unternehmen erfolgt. Zirkuläre Geschäftsmodelle basieren auf Kooperationen. Zum Beispiel mit Lieferanten, die bessere Produkte und Herstellungsverfahren entwickeln, mit externen Dienstleistern, die Pflege- und Reparaturservices bieten, oder mit Sammel- und Sortierorganisationen, die Produkten mit ihrer Arbeit eine zweite Chance geben. Darüber hinaus müssen Unternehmen ihre Kunden in die Entwicklung neuer Modelle einbeziehen und sicherstellen, dass auch sie bei der Pflege, Reparatur und Rückgabe von Produkten ihrer Verantwortung nachkommen, denn nur so bleibt der Kreislauf geschlossen.

Die Modebranche als Wegbereiter und Antrieb für neue Kreislaufkonzepte
Wie bei den meisten Veränderungsprozessen ist auch hier die Entwicklung und Implementierung von Lösungen eine komplexe Angelegenheit. Dennoch stehen Unternehmen viele Möglichkeiten offen, einen Wandel zu implementieren, der auch aus geschäftlicher Perspektive Sinn macht, Markenwerte erfüllt und besser für den Planeten ist. Dafür müssen die Beteiligten zunächst offen für neue Ideen sein und sich mit den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft vertraut machen. Der Austausch mit denjenigen, die bereits entsprechende Massnahmen ergriffen haben und Gespräche mit Partnern entlang der Wertschöpfungskette, fördern den Lernprozess. Eines ist gewiss: Unsere Erde benötigt dringend unseren Schutz. Vor allem die Branche, deren grundsätzliche Werte Ausdruck in den Substantiven Schönheit und Neuheit finden, muss mutig sein und den Schritt wagen, als eine der ersten, innovative zirkuläre Modelle auf den Markt zu bringen.

Good Brand Guru ist ein Berufsverband, der Experten für Nachhaltigkeit und Einzelhändler aus der Modebranche an einen Tisch bringt, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln, welche die Branche in Sachen soziale Verantwortung und Umweltschutz nachhaltiger machen. Good Brand Guru organisiert (Networking-) Veranstaltungen und Webinare zum Wissensaustausch und unterstützt Mode- und Lifestylemarken so, wirtschaftlich erfolgreich zu sein und gleichzeitig den Mitmenschen und der Umwelt zu Liebe, nachhaltig zu werden oder zu bleiben. www.goodbrand.guru/circularstories

Titelbild
Velizar Ivanov

Bild
Cristina Vanza

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