Zirkuläre Verpackungen für einen geschlossenen Plastikkreislauf

Ein Leben ohne Plastikabfälle klingt illusorisch. Denn der Konsum von Kunststoff steigt und dadurch nehmen auch die entsprechenden Abfälle zu. Doch viele Initiativen setzen sich für eine neue zirkuläre Plastikwirtschaft ein. 

Jährlich verbraucht jede Schweizerin und jeder Schweizer 125 Kilogramm Kunststoff. Im Jahr sind das in der Schweiz insgesamt rund 1 Million Tonnen. Etwa 80 000 Tonnen werden recycelt, doch rund 650 000 Tonnen landen in Kehrichtverwertungsanlagen. Dort werden die Abfälle zwar zur Energiegewinnung genutzt, mit der energetischen Verwertung geht aber wertvoller Rohstoff verloren.

Öffentlicher Druck

Mit der Zeit erfuhren die Auswirkungen der Plastikverschmutzung immer mehr öffentliches Interesse und der Druck auf die Politik stieg. Es entstanden daraufhin verschiedene Initiativen und auch die Politik sah sich zum Handeln gezwungen. Demnach stimmte das Europäische Parlament im März 2019 für ein Verkaufsverbot von Wegwerfprodukten aus Plastik: Ab 2021 dürfen Teller, Strohhalme, Wattestäbchen und Besteck aus Kunststoff nicht mehr verkauft werden. Dieses Verbot ist Teil der EU-Plastikstrategie. Doch die EU geht noch weiter: Im Januar 2020 erwähnte der Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius in einem Interview gegenüber der Tageszeitung «Die Welt», dass die EU-Kommission ein Verbot von Plastikverpackungen prüfen will: «Wir wollen die Regeln für Einwegkunststoffe definitiv ausweiten und untersuchen gerade, in welche Richtung das möglich wäre. Ein wichtiger Schritt wäre beispielsweise, Verpackungen aus Plastik zu verbieten oder die Verwendung von Recycling-Plastik vorzuschreiben», sagte der EU-Umweltkommissar.

Initiativen in der Schweiz

Die Schweiz zieht diesbezüglich jedoch nicht nach. Sie plant derzeit kein Plastikverbot. Doch strahlt die Dynamik der EU aus. So nimmt zum Beispiel das Lebensmittelunternehmen Migros bis Ende 2020 Plastik-Einweggeschirr aus dem Sortiment und ersetzt es durch ökologischere Alternativen. Gemäss einer Mitteilung der Migros kann das Unternehmen dadurch 560 Tonnen Plastik vermeiden. Auch Coop setzt vermehrt auf verpackungsfreie Optionen für Bio-Gemüse und -Obst oder auf Verpackungsalternativen. Des Weiteren gibt es nationale Initiativen, die sich für eine Stoffkreislaufschliessung von Plastik einsetzen. Demnach hat sich zum Beispiel der Verein Prisma das Ziel gesetzt, eine Kreislaufwirtschaft für Verpackungen zu realisieren. «Schweizerinnen und Schweizer sammeln zwar viele PET-Getränkeflaschen, doch diese bilden nur einen kleinen Anteil der gesamten Kunststoffabfälle», sagt Simone Alabor, Geschäftsführerin von Prisma. Deshalb setzt sich Prisma für ein verbessertes Sammelsystem in der Schweiz ein. «Viele Verpackungen, die recycelt werden könnten, landen im Abfall. Das möchten wir verhindern, indem wir uns für ein Sammelsystem einsetzen, das für alle Materialien funktioniert», sagt Alabor.

Globale Bewegungen: Ellen MacArthur Initiative

Global treibt die Ellen MacArthur Stiftung eine Bewegung hin zu einer zirkulären Plastikwirtschaft an. Die Initiative «New Plastics Economy» bringt die wichtigsten Interessensvertreter zusammen, um die Zukunft der Kunststoffe zu überdenken und neu zu gestalten. Ihre Vision: In einer «Kunststoffwirtschaft» wird Plastik niemals zu Abfall und verschmutzt die Umwelt nicht. Die «New Plastics Economy» Initiative gibt drei Möglichkeiten vor, dies zu erreichen: Beseitigung aller problematischen und unnötigen Kunststoffartikel;  Innovationen schaffen, um sicherzustellen, dass der Kunststoff, den wir brauchen, wiederverwendbar, recycelbar oder kompostierbar ist; Kunststoffartikel in der Wirtschaft zirkulieren lassen, damit sie nicht im Abfall landen. Betrachtet man diese drei Ideen genauer, gibt es verschiedene Beispiele, die diesen Ansätzen nachgehen:

Innovative Alternativen zu Plastik

In verschiedensten Detailhandelsunternehmen kann man Einweg-Produkte aus ökologischeren Alternativen wie Zuckerrohr, Palmblättern, Papier oder Holz kaufen. Auch Teller, Trinkbecher und Abfallsäckli aus Biokunststoff findet man mittlerweile oft. Verpackungen aus Algen werden als weitere Alternative erprobt. Viele der Alternativen sind für die Umwelt womöglich weniger schädlich, doch oft landen die Materialien nach Gebrauch im Abfall. «Für neue Materialien, die dank technischen Innovationen auf den Markt kommen, haben Konsumentinnen und Konsumenten keine Sammlungsmöglichkeit», sagt die Geschäftsführerin von Prisma. Dazu kommt die Herausforderung, dass viele Verpackungen aus Kunststoff in der Lebensmittelproduktion noch nicht wegzudenken sind, da Plastik den Inhalt vor Licht und Luft schützt und Food Waste verhindert.

Plastik beseitigen oder zirkulieren

Eine weitere Möglichkeit der Plastikverschmutzung entgegenzuwirken, besteht darin, unnötiges Material zu reduzieren. Die Molkerei Biedermann verzichtet zum Beispiel bei gewissen Produkten auf einen Kunststoffdeckel und reduziert dadurch den jährlichen Kunststoff-Verbrauch um rund 2,2 Tonnen. Auch der Schweizer Onlinehändler Digitec Galaxus kann dank der Automatisierung der Logistik 90 Prozent seines Sortiments ohne  Füllmaterial verpacken.

Die dritte Variante, Plastik zu reduzieren, setzt auf Mehrweg- statt Einwegsysteme. Verschiedene Start-ups auf der ganzen Welt entwickeln interessante zirkuläre Lösungen. Das Projekt Loop zum Beispiel ist eine Online-Plattform, die bekannte Markenprodukte verkauft. Wer bei Loop einkauft, kann die Verpackung wieder zurückgeben und nachfüllen lassen. Auch im Gastronomiebereich gibt es immer mehr Bestrebungen, von Einwegsystemen wegzukommen. Die SV Group, Coop oder auch Tibits setzen mit der Verwendung der Mehrwegschalen von Recircle auf wiederverwendbares Geschirr. Für einen Aufpreis von zehn Franken erhalten die Kundinnen und Kunden eine ReBOX. Diese können in sämtlichen teilnehmenden Take-Aways zurückgegeben werden. Im Gegenzug erhält man das Depot oder eine frische ReBOX zurück.

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