Zirkuläre Materialinnovation aus Bananenstauden

Qwstion lancierte vor eineinhalb Jahren ein neues Material aus den Fasern der Bananenstaude. Bananatex ist langlebig, strapazierfähig und kompostierbar. Mit dem Open-Source-Projekt will das Unternehmen auch andere Marken für zirkuläre Produkte sensibilisieren. Mit Erfolg.

Als der Industriedesigner Christian Kaegi mit vier Freunden 2008 das Taschenlabel Qwstion gründete, trieb sie ein Gedanke besonders an: «Die allermeisten Rucksäcke bestanden aus Kunststoff. Wir wollten eine Alternative zu den erdölbasierten Produkten auf dem Markt bieten», sagt Christian Kaegi. Aus zirkulären Gründen wollten sie mit Naturfasern arbeiten. Erfahrungen im Taschenbusiness hatte niemand von ihnen. Sie begaben sich auf eine unbekannte Reise und ein langer Lernprozess begann. Zuerst entwickelten sie ein Biobaumwollgewebe. Denn das Gewebe, das sie auf dem Markt fanden und sich für Taschen eignete, bestand aus konventioneller Baumwolle. Doch damit war nicht genug. Sie experimentierten weiter und vertieften sich immer mehr in die Gewebeherstellung. Nebst der Biobaumwolle experimentierten sie mit Hanf, Bambus und Leinen. «Wir wollten auf lange Transportwege verzichten und beweisen, dass es möglich ist, eine Tasche komplett in der Schweiz herzustellen.»
Sie kamen an ihre Grenzen. In der Schweiz ging bereits viel Wissen über die Textilindustrie verloren. Also testeten sie eine weitere Variante: Hanf aus Belgien, das in Norditalien zu Garn gesponnen und in der Schweiz gewoben würde. Doch die Lieferketten gestalteten sich zu komplex. Die verschiedenen Transportwege per Lastwagen innerhalb Europas verursachen mehr CO2-Emissionen, als eine Produktion in Asien, die per Schiffweg nach Europa gelangt und dann per Landweg direkt in die Lagerhallen von Qwstion verfrachtet wird. Nach über drei Jahren Recherche und verschiedensten Experimenten scheiterte das Projekt. Die Unternehmer konzentrierten sich nunmehr darauf, eine nachhaltige Lieferkette in Asien aufzubauen. Dort suchten sie weiter nach einer Naturfaser, die strapazierfähig und langlebig ist.

Bananenstaude als Materialinnovation

Im Jahr 2015 stiessen sie auf die Fasern der Abacá-Bananenstaude. Gemäss Kaegi ist die hohe Reissfestigkeit der Faser eine der wichtigsten Eigenschaften der Pflanze. Die Faser wird auf den Philippinen gewonnen, in Taiwan zu Garn verarbeitet und gewebt. Für die Herstellung des Materials werden die Blätter und die Stängel benötigt. Die einjährige Pflanze trägt Früchte, die nicht geniessbar sind und im Wald liegen bleiben. Dort werden sie als Dünger dem natürlichen Kreislauf zurückgeführt. Im Gegensatz zu Baumwolle braucht die Abacá keine Bewässerung, es werden keine Pestizide verwendet und sie wird nicht in einer Monokultur angebaut. Das Knowhow und die Infrastruktur, wie die Fasern zu gewinnen und weiterzuverarbeiten sind, sind auf den Philippinen schon seit Jahrhunderten vorhanden. Heute bestehen Teebeutel, Saris und japanische Yen-Noten aus den Bananenfasern. «Wir griffen auf traditionelles Wissen und einen bestehenden Prozess zurück und kombinierten dies mit neuen Ideen und Ansätzen.» Kaegi sieht in der Naturfaser grosses Potenzial etwa auch für Heimtextilien, Autointerieur und die Möbelindustrie.

«Wir griffen auf traditionelles Wissen und einen bestehenden Prozess zurück und kombinierten dies mit neuen Ideen und Ansätzen.»

Christian Kaegi, Mitgründer und Designer von Qwstion

Eine Geduldsprobe

Von den ersten Webmustern bis zum fertigen Stoff vergingen zweieinhalb Jahre. Die Art und Weise, wie die Fasern gewonnen wurden, blieb gleich. Technisch stellte sich die Herausforderung, aus der Faser das passende Garn zu spinnen: Passende Drehzahl und Dicke, soll es verzwirnt sein oder nicht? Zudem musste das Garn auf die spezifischen Anforderungen des Webstuhls angepasst werden. «Wenn man etwas Neues ausprobiert, gibt es viele Risiken», so Kaegi. Es brauche die richtigen Partner, die gewillt seien, sich darauf einzulassen. Laut Kaegi ist das der Grund gewesen, warum sie Bananatex entwickeln konnten. «Wir experimentierten viel und nahmen in Kauf zu scheitern.»

Anpassung Schnittmuster

Kaegi führt das Unternehmen mit drei weiteren Personen in der Geschäftsleitung. Mittlerweile haben sie 21 Angestellte. Ihnen ist es gelungen, ein zirkuläres Material zu entwickeln, das komplett biologisch abbaubar ist. Jedoch ist es sehr teuer. «Bei der Herstellung von Naturfasern sind viel mehr Menschen in den Herstellungsprozess involviert als bei der Produktion von synthetischen Geweben.» Aufgrund des Preises passte Qwstion die Schnittmuster an. Mit einem effizienten Zuschnitt sparen sie Material und können dadurch Kosten einsparen. Dennoch: Produkte aus synthetischen Fasern kosten fast die Hälfte. Der grössere Bananatex-Rucksack kostet 340, der kleinere 320 Franken. In der Vergangenheit, wo Alltagsprodukte immer günstiger und ihr Wert und die persönliche Beziehung dazu weniger wichtig wurden, steht Qwstion vor einer weiteren Herausforderung: «Wir wollen unsere Kundschaft über die Thematik informieren und über die Zusammenhänge aufklären, warum eine nachhaltige Tasche teuer ist.» In Zukunft möchte das Unternehmen ihre Kundschaft vermehrt für zirkuläre Produkte sensibilisieren und sie miteinbeziehen. Aus diesem Grund sucht das Unternehmen nach Ideen, um die Kunden für die Rückgabe der Taschen am Ende des Lebenszyklus im Laden zu motivieren.

Open-Source-Projekt skaliert Nutzung einer zirkulären Innovation

Dass Kaegi und seine Partner die Innovation nicht nur für sich selbst beanspruchen, sondern das Material in einem Open-Source-Projekt auch anderen verfügbar machen, trägt ebenfalls zu einer Sensibilisierung für und Skalierung von Zirkularität bei. «Wenn mehrere Unternehmen das Material nutzen, ist die globale Wirkung viel grösser, als wenn dies nur eine Firma in der Schweiz tut.» Gemäss Kaegi ist das Interesse gross. Seit der Lancierung haben sie bereits über 1000 Anfragen von Unternehmen beantwortet, die das Material nutzen wollen. Da das Material teuer ist, gelingt der Weg in die Produktion erst wenigen Unternehmen. «Nachhaltiges Wirtschaften bringt im Moment noch keinen Vorteil im Markt. Das Erdöl ist zu günstig.» Laut Kaegi würde es helfen, Rahmenbedingungen zu schaffen, die nachhaltiges Wirtschaften fördern.

Um mehr über Produkt Design für die Kreislaufwirtschaft zu erfahren, lesen Sie das Interview mit Christian Kaegi, Designer und Mitgründer von Qwstion.

Portrait
© Urs Bigler

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