Der Ansatz der erweiterten Herstellerverantwortung ist eine Chance für Umwelt, Gesellschaft und Unternehmen. Weniger Ressourcenverbrauch und langlebigere Produkte sind die Folge. Wo steht ERP in der Schweiz heute und wie sähe sie konkret im Verpackungsbereich aus?
Was bedeutet erweiterte Herstellerverantwortung (EPR)?
Erstmals von Thomas Lindhqvist in Schweden eingeführt, wird die erweiterte Herstellerverantwortung (EPR) von der OECD als ein umweltpolitischer Ansatz definiert, "bei dem sich die Verantwortung eines Herstellers für ein Produkt auf die Post-Verbraucher-Phase seines Lebenszyklus erstreckt“.
Hersteller können auf unterschiedliche Weise diese Verantwortung übernehmen: So gibt es die Verantwortung für durch das Produkt verursachte Umweltschäden, die wirtschaftliche Verantwortung zur Deckung der Kosten für Sammlung, Recycling und Entsorgung sowie die physische und/oder informationsbezogene Verantwortung.
Eine EPR-Politik umfasst Strategien wie die Implementierung von Rücknahme- und Wiederverwendungsprogrammen für Produkte, die Einrichtung von Produktsammelstellen für das Recycling und vor allem die Gestaltung von Produkten im Vorfeld, die ihre Wiederverwendung, Reparatur und Wiederverwertung erleichtern.
Für Circular Hub haben Unternehmen über den politischen Ansatz hinaus ein Interesse daran, die Umsetzung von ERP zu beschleunigen. So kann die Kontrolle von Lieferketten gewährleistet werden und bei begrenzten Ressourcen länger auf qualitativ hochwertige Materialien zugegriffen werden. Gleichzeitig reduzieren sich Auswirkungen der verwendeten Ressourcen auf das Klima und die Umwelt und kann Compliance mit europäischen Vorschriften gewährleistet werden.
Wo steht Europa?
Wie der Bericht von Deloitte aus dem Jahr 2014 zeigt, wird EPR in mehreren europäischen Richtlinien eingeführt, die Fahrzeuge, elektrische und elektronische Geräte sowie Batterien betreffen. Darüber hinaus wird EPR bei der Umsetzung der Verpackungsrichtlinie verwendet. Bestimmte Grundsätze sind auch in der Abfallrichtlinie festgelegt.
Die Umsetzung der EPR durch die EU-Mitgliedsstaaten ist sehr heterogen, wobei insbesondere Frankreich den Umfang des Konzepts stark erweitert hat.
Für die meisten Abfallströme existieren individuelle Systeme. Allerdings nehmen die Hersteller ihre Verantwortung oft kollektiv wahr und delegieren die Umsetzung an eine staatlich anerkannte Öko-Organisation, die sogenannte „Producer Responsibility Organisation“ (PRO).
Wo steht die Schweiz?
Um die Situation in der Schweiz zu verstehen, sprachen wir mit Simone Alabor, Geschäftsführerin des Vereins PRISMA, der sich für die Realisierung der Kreislaufwirtschaft bei Verpackungen einsetzt.
Das EPR-Prinzip gibt es heute z. B. bei PET, Alu, Glas oder Elektroschrott. Die Inverkehrbringer bezahlen mittels eines vorgezogenen Beitrags (freiwillige Lösung) oder einer Gebühr (verordnete Lösung) für die Schliessung der jeweiligen Stoffkreisläufe. Der Bund prüft derzeit die Ausweitung der Herstellerverantwortung für Einwegplastikprodukte. Allerdings fehlt ein ganzheitlicher Ansatz, sagt Simone Alabor. In einer Kreislaufwirtschaft benötigen wir jedoch genau das. In einem kreislauffähigen System bewegen sich alle Produkte und Materialen und nicht bloss einzelne Produktgruppen im Kreis. Nun gibt es mit der parlamentarischen Initiative 20.433 zur Stärkung der Schweizer Kreislaufwirtschaft die Chance, einen ganzheitlichen Ansatz im Umweltschutzgesetz zu verankern.
Neben der Regulierung ist es wichtig, dass sich die Wirtschaft finde, so Simone Alabor. PRISMA hat Firmen entlang der Verpackungs-Wertschöpfungskette zusammengebracht mit dem gemeinsamen Ziel, die Kreislaufwirtschaft für Verpackungen zu realisieren.
Wie würde ein kollektives EPR-System für Verpackungen funktionieren?
Die wichtigsten Elemente des Vorschlags von PRISMA auf Basis einer freiwilligen Branchenvereinbarung sind:
Damit ein solches System jedoch in der Praxis funktioniert, bedarf es entsprechender Regulierung, um Trittbrettfahrer zu vermeiden.
Was wären die Vorteile eines solchen Systems in der Schweiz im Vergleich zur bestehenden Situation?
Zunächst werden die Verpackungen durch Ökomodulation neugestaltet und verringern Umweltauswirkungen. Darüber hinaus wird das System als Gesamtes effizienter, weil grössere Mengen im Kreislauf geführt werden und damit Skaleneffekte und Synergien entstehen. Schließlich, so fügt Simone Alabor hinzu, führt ein ganzheitlicher Ansatz zu gleichen Wettbewerbsbedingungen zwischen den Herstellern, da alle Verpackungen gleichbehandelt werden würden.