Holz für eine zirkuläre Bioökonomie

Der Geschäftszweck von Stora Enso ist einfach erklärt: Alle Produkte, die aus fossilen Brennstoffen produziert werden, lassen sich in Zukunft aus Bäumen herstellen. Doch um ganzheitlich zirkulär zu wirtschaften, braucht es ein Umdenken im Hinblick auf die gesamte Wertschöpfungskette.

Fast 75 Prozent der Wälder der Welt sind in öffentlichem Besitz. Einer der grössten privaten Forstbesitzer der Welt ist Stora Enso. Zirkulär zu wirtschaften ist für die finnische Firma kein neues Konzept. Das liegt am Werkstoff:«Wir arbeiten mit Holz, einem Rohstoff, der in nachhaltig bewirtschafteten Wäldern nachwächst», sagt Riikka Paarma, die bei Stora Enso für die Circular Economy verantwortlich ist.
Als einer der weltweit führenden Anbieter von erneuerbaren Lösungen in den Bereichen Verpackung, Biomaterialien, Holzbau und Papier, entwickelt und produziert das Unternehmen mit Hauptsitz in Helsinki unter anderem Verpackungen für die Lebensmittelbranche, Büropapiere und verschiedene Lösungen für das Bauwesen, die Pharmabranche sowie das Verlagswesen. Die Produkte werden aus Holz und Biomasse hergestellt. «Unsere einfache Geschäftsidee besteht darin, Materialien auf fossiler Basis durch erneuerbare und wiederverwertbare Lösungen zu ersetzen. Wir glauben, dass alles, was heute aus Materialien auf fossiler Basis hergestellt wird, in Zukunft aus einem Baum hergestellt werden kann», sagt Paarma. Die Welt brauche einen neuen Ansatz für den Umgang mit Materialien. Für Paarma ist klar, wie die Zukunft gestaltet werden muss: Weg von der linearen Wirtschaft, in der Rohstoffe abgebaut, Produkte hergestellt, konsumiert und weggeworfen werden hin zu einer zirkulären Nutzung erneuerbarer Ressourcen.

Biologische Vielfalt schützen
Das Ökosystem Wald ist ein enormer CO2-Speicher. Eine nachhaltige Waldbewirtschaftung sichert die Gesundheit und Produktivität der Wälder, trägt zur Bekämpfung der globalen Erwärmung bei und schützt die biologische Vielfalt. Die Bäume nehmen Kohlendioxid aus der Atmosphäreauf und speichern Kohlenstoff. Rund drei Viertel der Fläche Finnlands sind mit Wald bedeckt. Die Forstindustrie wird hier auch kritisch betrachtet. Wirtschaftsleistungen müssen mit der Erhaltung der Wälder in Einklang gebracht werden. Auch Stora Enso kennt dieses Spannungsfeld. «Wir lassen immer mehr Bäume wachsen, als wir fällen, und wir kennen die Herkunft des gesamten Holzes, das wir verwenden. 100 Prozent stammen aus nachhaltigen Quellen», betont Riikka Paarma. Um dies zu gewährleisten, setze das Unternehmen eine Reihe von Instrumenten wie etwa die Forstzertifizierung und Rückverfolgbarkeitssysteme von Dritten ein. Dazu gehört auch das Chain-of-Custody/Controlled Wood System des Forest Stewardship Council (FSC), das Chain-of-Custody/Due-Diligence-System des Programme for the Endorsement of Forest Certification (PEFC) und die Umweltmanagementnorm ISO 14001. Diese Instrumente werden durch einen Verhaltenskodex für Lieferanten ergänzt, der klare vertragliche Anforderungen auferlegt. «Im Jahr 2019 waren 75 Prozent unseres Holzes durch Dritte zertifiziert.» Etwa 90 Prozent des Holzes von Stora Enso stammt aus bewirtschafteten Wäldern in Europa, der Rest aus Baumplantagen in Südamerika und China. Die Plantagen versorgen die Produktionseinheiten in diesen Gebieten mit Rohmaterial, um den mit dem Holztransport verbundenen Zeit- und Kostenaufwand sowie die Emissionen zu reduzieren. Gemäss Stora Enso legt das Unternehmen keine Plantagen in Naturwäldern, Schutzgebieten oder an wasserempfindlichen Standorten an. Und es nutze nur Land mit geringem Biodiversitätswert, wie zum Beispiel ehemaliges Weideland. Südamerika und China seien wichtig für die Strategie von Stora Enso, kostengünstigen Zellstoff zu beschaffen: Die Kosten werden durch die Nähe des Holzes zur Produktionseinheit, aber auch durch das schnelle Wachstum von Eukalyptusbäumen gesenkt. Gleichzeitig diversifiziert die Verwendung verschiedener Faserarten die verfügbare Rohstoffbasis.

«Die Welt braucht einen neuen Ansatz für den Umgang mit Materialien.»

Riikka Paarma, Verantwortlich für Circular Economy bei Stora Enso

Wertschöpfungskette einbeziehen
Riikka Paarma arbeitet mittlerweile seit zwei Jahren beim finnischen Konzern. Stora Ensos Circular-Economy-Roadmap konzentriert sich auf drei Schwerpunkte: zirkuläres Design, zirkuläre Wertschöpfung und die Kommunikation von Zirkularität. Da die Kreislaufwirtschaft in das Tagesgeschäft von Stora Enso integriert ist, treibt jeder der sechs Geschäftsbereiche diese Schwerpunkte durch verschiedene Initiativen und Projekte voran.
Gegenwärtig liegt der Fokus auf der Umsetzung von Stora Ensos Circular-Design-Prinzipien. Dabei geht es darum, Produkte so zu designen, dass sie aus erneuerbaren oder recycelbaren Rohstoffen hergestellt werden können und langlebig sind. Zudem beteiligt sich Stora Enso an der Entwicklung einer ISO-Norm für zirkuläre Wirtschaft. Auch die Zusammenarbeit mit Partnern ist wichtig, um zirkuläre Pilotprojekte zu testen und umzusetzen. Beispielsweise erforschte Stora Enso im Jahr 2019 in seiner Papierfabrik Langerbrugge in Belgien und in Zusammenarbeit mit dem Verpackungskarton-Hersteller Fiskey Board in Schweden das Recycling von Papierbechern zu neuen Produkten. Die Versuche zeigten, dass Papier-Becher ein wertvoller Rohstoff für Zeitschriftenpapier und WLC-Karton sein können. «Produkte, die aus Bäumen hergestellt werden, können den Kohlenstoff sogar noch speichern, wenn die Holzfasern recycelt werden. Holzfasern können mindestens fünf bis sieben Mal, in manchen Fällen sogar mehr als zwanzig Mal recycelt werden und der Kohlenstoff bleibt in den Fasern enthalten», sagt Riikka Paarma.
Im Jahr 2019 begann Stora Enso eine Zusammenarbeit mit der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften (SLU), um die wissenschaftlichen Methoden zur Berechnung der Klimaauswirkungen weiterzuentwickeln und den gesamten Klimanutzen zu beziffern. «Wenn unsere Produkte zur Substitution von Produkten auf fossiler Basis eingesetzt werden, gelangen jährlich 20 Millionen Tonnen CO2 weniger in die Atmosphäre. Dies entspricht den durchschnittlichen jährlichen Emissionen von 5,1 Millionen Autos.» Als Beispiel zeigt eine von Stora Ensos durchgeführte Lebenszyklusanalyse, dass ihre Speiseschalen aus «Formed Fiber», eine erneuerbare Alternative zu Kunststoff, deutlich geringere Auswirkungen aufs Klima haben als solche aus Bagasse oder recyceltem PET-Kunststoff.

Umwandlung in eine Bioökonomie
Holz, der Hauptrohstoff von Stora Enso, ist von Natur aus zwar kreislauffähig, da er erneuerbar und in hohem Masse recycelbar ist, doch die Firma möchte einen Schritt weitergehen. «Wir streben die Umwandlung in eine zirkuläre Bioökonomie an, in der nicht erneuerbare Materialien durch erneuerbare Produkte ersetzt werden», betont Riikka Paarma. Dies erfordere jedoch eine Zusammenarbeit auf der gesamten Ebene der Wertschöpfungskette. Stora Enso ist Mitglied verschiedener Kooperationen und Initiativen, wie zum Beispiel des branchenübergreifenden Bündnisses «4evergreen», das Zirkularität und Innovation in der Wertschöpfungskette von faserbasierten Verpackungen fördert. Gemäss Paarma bringt auch die Zusammenarbeit mit Kunden und Zulieferfirmen Chancen mit sich, neue Lösungen zu entwickeln, um die Materialien auf fossiler Basis zu ersetzen. «Zirkularität wird oft nur mit Recycling in Verbindung gebracht. Das ist zwar wichtig, reicht aber nicht aus.» Um Zirkularität zu erreichen, brauche es ein Umdenken eines ganzen Systems. «Die Kreislaufwirtschaft ist kein Zufall, sondern eine sorgfältig orchestrierte Transformation in eine neue materielle Zukunft.»

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