Cork House: ein riesiges, pflanzliches LEGO

Die englischen Pioniere hinter dem «Cork House» bauen Häuser aus einem einzigen biogenen Material: Kork. In diesem Interview mit Circular Hub erklärt Matthew Barnett Howland, leitender Architekt des Korkhaus, warum und wie die Konzepte hinter seinem Projekt einen radikalen Ansatz zur Lösung der zeitgenössischen Probleme im Bau darstellen.

Was ist ein Korkhaus und wie unterscheidet es sich von normalen Häusern?

Das Korkhaus demonstriert einen Design-Ansatz, den wir «Form Follows Life Cycle» nennen. Die architektonische Form ist das Ergebnis einer vertieften Reflexion über ökologische Nachhaltigkeit mit einer holistischen Perspektive. Jede Lebenszyklusphase wird betrachtet: vom Ressourceneinsatz bis hin zum «Ableben» des Hauses.

Bei vielen Formen des modernen Baus wird eine breite Palette von Materialien und Produkten in einer Reihe von Gebäudeschichten verwendet. Jede dieser Schichten erfüllt eine bestimmte Leistung wie Struktur gebend, isolierend, Feuchtigkeit und Luftdichtheit in Balance haltend oder als Gestaltungsmerkmal im Innenausbau. Dies bedeutet eine grosse Komplexität, insbesondere am Ende der Lebensdauer des Gebäudes, wenn die verschiedenen Materialien für die Wiederverwendung oder das Recycling aufgeteilt werden müssen. Bei diesem Projekt haben wir versucht, diese Schichten auf ein einziges biogenes Material in einer monolithischen Form zu reduzieren, das am Ende des Lebenszyklus des Gebäudes einfach wiederverwendet werden kann.

Was macht ein Korkhaus zu einem zirkulären Gebäude und was sind seine Anwendungen?

Das Korkhaus ist so konzipiert, dass es in der technischen Sphäre der Herstellung und Nutzung zirkulär ist. Die Blöcke aus expandiertem Kork werden ohne Mörtel oder Leim mit einer trockenen Reibungspassung zusammengesetzt. Damit bleibt die Integrität der Bausteine bis zum Ende der Lebensdauer des Gebäudes für die Wiederverwertung und -verwendung erhalten - ein bisschen wie ein riesiges, pflanzliches LEGO.

Der vielleicht wichtigste Aspekt des Korkhauses ist jedoch das Zusammenspiel zwischen der technischen und der natürlichen Zirkularität des Ökosystems, aus dem der Kork geerntet wird. Expandierter Kork ist ein rein pflanzliches Material, das beim Kochen während des Herstellungsprozesses im eigenen Saft gebunden wird.  Folglich kann jeder expandierte Kork, der nicht mehr genutzt wird, direkt in die Biosphäre zurückgeführt werden. In diesem Sinne handelt es sich um ein echtes «Cradle-to-Cradle»-Bausystem.  Die Verwendung von expandiertem Kork hat auch den zusätzlichen Vorteil, dass sie die Agro-Silvo-Wälder im Mittelmeerraum unterstützt. Diese erhalten die Biodiversität, die hydrologische Stabilität und die lokale Wirtschaft.

«Der vielleicht wichtigste Aspekt des Korkhauses ist das Zusammenspiel zwischen der technischen und der natürlichen Zirkularität des Ökosystems, aus dem der Kork geerntet wird.»

Matthew Barnett Howland, leitender Architekt des Korkhauses

Welches Potenzial und welche Nachteile birgt Kork als Baumaterial?

Auf einer direkten sensorischen Ebene kann expandierter Kork eine sehr wertvolle Umgebung schaffen – mit atmosphärischem Licht und Schatten, einem unverwechselbaren Geruch und einer besonderen visuellen Textur. Ausserdem fühlt sich Kork warm an und hat eine angenehme weiche Akustik.

Technisch gesehen ist expandierter Kork ein sehr vielseitiges Material, das, wie beschrieben, für verschiedene Funktionen der Gebäudehülle verwendet werden kann.  Umgekehrt bedeutet diese Vielseitigkeit aber auch, dass Kork all diese Funktionen nur begrenzt erfüllen kann. Dies schränkt seine Anwendung als strukturelles oder sichtbares Material in grösseren Gebäudetypen und im städtischen Kontext erheblich ein.  

Ist Kork als Baumaterial skalierbar? Was ist die Zukunft von Kork?

Wir arbeiten derzeit mit einem deutschen Kunden an der Entwicklung eines Kork-Holz-Konstruktionssystems für leichtindustrielle Gebäude. Dabei werden dieselben Prinzipien wie bei den schlanken, effizienten und trockenen Bauformen in der bestehenden Industriearchitektur angewandt. Die oft CO2-reichen Materialien sollen nun aber durch eine pflanzliche Palette ersetzt werden. Damit wollen wir CO2-ärmere und zirkuläre Gebäude mit einer positiveren Beziehung zu den Ökosystemen des Planeten schaffen. 

Interview: Rifka Fehr 
 

Bildquelle Portrait: Magnus Dennis

Bildquelle Fotos: Ricky Jones

Weiterführende Lektüre: https://www.apcor.pt/wp-content/uploads/2015/09/From-the-Cork-Oak-to-Cork-a-sustainable-system.pdf

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