Zukunft zirkuläres Bauen: Ein Leitfaden für Portfolio- und Baumanager:innen

Eine der aktuell wichtigsten Fragestellungen in der Baubranche ist, wie Zirkularität in Bauprojekten gemessen werden kann. Diese bildete die Grundlage der Masterarbeit von Florine Geiser im Rahmen des Master of Science in Integrated Building Systems an der ETH Zürich. Geiser hat ermittelt, wie und welche Aspekte der Kreislaufwirtschaft von Portfolio- und Baumanager:innen umgesetzt werden können. Das Ergebnis ist ein Leitfaden mit 26 Kriterien für kreislauffähiges Bauen. Er ist unterteilt in Portfolio- und Gebäudeebene und skizziert Anforderungen zur Erfüllung der Kriterien.

Hürden bei der Umsetzung der Kreislaufwirtschaft

Geiser führte umfangreiche Recherchen und Interviews mit Unternehmen durch und identifizierte das Fehlen von Wissen, Erfahrung und Fachpersonal als wiederkehrende Hindernisse. Dies führt zu Unsicherheit und erfordert die Durchführung kleiner Pilotprojekte zur Erfahrungssammlung und Vertrauensbildung.

Bestehende Gesetze und gängige Vertragsbedingungen, insbesondere in Bezug auf Garantien, Lärm- und Brandschutz sowie energetische Anforderungen, sind ungeklärt und erschweren oder verhindern die Verwendung von wiederverwendbaren Bauteilen.

Identifiziert wurde weiterhin ein grosser Bedarf nach einer schweizweiten Bauteilbörse sowie nach einer Möglichkeit zur preiswerten Zwischenlagerung. Beides ist aus Sicht der Interviewpartner:innen unabdingbar, um die Kreislaufwirtschaft in der Schweiz zu skalieren.

Last but not least: Die Identifizierung von wiederverwendbaren Bauteilen und der Aufwand, nicht-standardisierte Lösungen zu skalieren, erschweren heute noch die Implementierung von Kreislaufwirtschaft. Dies dürfte auch am Mangel von Wissen und Erfahrung liegen. Ein Umdenken aller Beteiligten, insbesondere der planenden, herstellenden sowie ausführenden Unternehmen sei zwingend. 

«Investoren sollten Kreislaufwirtschaft explizit in den Bauprojekten fordern. Dadurch wird das Risiko für die Portfoliomanager:innen minimiert, ein zusätzlicher Anreiz geschaffen und die Diskussion bezüglich allfälliger Mehrkosten entschärft.»

Florine Geiser, Fachspezialistin für nachhaltiges Bauen und Kreislaufwirtschaft an der ETH Zürich (Abteilung Engineering und Systeme)

Sensibilisierung verstärken, Kreislaufwirtschaft messbar machen und Gesetze anpassen

Zweifelsohne ist seit der Durchführung der Interviews im August 2022 viel vorangeschritten. Durch verschiedene Initiativen seitens Bund (Parlamentarische Initiative Schweizer Kreislaufwirtschaft stärken), Vereinen  (Madaster) und Zusammenschlüssen (Circular Economy Switzerland, Charta Kreislauffähiges Bauen) wurde ein neues Bewusstsein für die Wichtigkeit der Thematik geschaffen. Auch werden Grundlagen erarbeitet, um die Kreislaufwirtschaft messbar zu machen. Um die Skalierbarkeit zu ermöglichen und zu beschleunigen, sind nun verschiedenste Parteien gefragt.

Die Anpassung der Gesetzgebung wie etwa zur einfacheren Wiederverwendbarkeit von Bauteilen liegt in der Verantwortung der Politik. Gemeinsam mit Experten aus verschiedenen Fachrichtungen wie Brandschutz, Lärmschutz, Bauphysik und Nachhaltigkeit sollten bestehende Regularien aktualisiert werden. In diesem Rahmen wäre zu überlegen, ein gewisses Mass an Kreislauffähigkeit von künftigen Bauprojekten zu verankern.

Anreize zur Umsetzung von Kreislaufwirtschaft setzen  

Geiser identifiziert in ihrem Fazit unter anderem, dass Investoren Kreislaufwirtschaft explizit in den Bauprojekten fordern sollten. Dadurch wird das Risiko für die Portfoliomanager:innen minimiert, ein zusätzlicher Anreiz geschaffen und die Diskussion bezüglich allfälliger Mehrkosten entschärft. Die Projektentwickler:innen haben dadurch eine gute Grundlage, die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft, die Geiser im Leitfaden formuliert, im Projekt umzusetzen.

Der Leitfaden bietet Anleitungen für nachhaltige Bauprojekte und Portfolioverwaltung in der Schweiz unter Berücksichtigung von Kreislaufwirtschaftsprinzipien.

Abschliessend ist festzustellen, dass die Schweizer Baubranche auf einem guten Weg ist. Doch Portfoliomanager:innen sind ein Teil der gesamten Wertschöpfungskette im Bau- und Immobilienwesen. Letztendlich muss der Austausch zwischen allen Stakeholdern gestärkt und gefördert werden. Somit können mehr Personen von Erfahrungen und Learnings aus vergangenen Projekten profitieren. Ausserdem wird das Bewusstsein weiter gestärkt und Unsicherheiten verringert.

Bildquelle Portrait: Florine Geiser

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