Wo ein Wille, da ein Weg: Die Zukunft von Real Estate

Der Real-Estate-Sektor steht vor einer erheblichen Umwälzung. Referierende der Real Estate Days 2022 geben Impulse für eine robuste Zukunft.

Nachhaltigkeit im Bauwesen ist längst von der Kür zu Pflicht geworden. Doch die Bau-Wirklichkeit in der Schweiz ist aktuell noch weit von Ressourcenschonung und CO2-Vermeidung entfernt. Gebäude und Städte werden noch nicht als Materiallager genutzt. Die zirkuläre Planung von Gebäuden ist noch in einer Nische, nicht zuletzt wegen komplexer und langwieriger Planungs- und Genehmigungsabläufe. Immer mehr Beteiligte in der Schweiz haben sich trotzdem auf den Weg in Richtung Kreislaufwirtschaft gemacht, denn der Hebel der Branche zur Erreichung der Netto-Null-Ziele der Schweiz ist immens.

Die Chancen der Nachhaltigkeit zu nutzen, bedeutet, ihre Grundsätze als Teil der strategischen Entscheidungsfindung im Unternehmen zu verankern. Gleichermassen bieten Gebäude Mehrwerte für ihre Eigentümerinnen und Eigentümer, die Umwelt und die Nutzenden. Die Verschwendung von Ressourcen lässt sich in grossem Umfang vermeiden, wenn Materialien und Produkte oder Bauteile wiederverwendet, wiederaufbereitet oder – als letztes Mittel – recycelt werden. Umweltauswirkungen werden gesenkt, wenn neu gedacht wird. Baustrategien wie anpassungsfähige Gebäude, die Nutzung von Produkten und Bauteilen in mehreren Lebenszyklen und eine Beschaffung auf Leistungsbasis erfordern ein neues Verständnis der Wertschöpfungskette im Bau.

Der Schweizer Real-Estate-Sektor hat es in der Hand, die Knappheit von Boden und Ressourcen als Chance für neue Geschäftsmodelle zu nutzen. Werterhalt ist die Maxime, um gesetzte (Klima-)Ziele zu erreichen. Entscheidend, so Regula Lüscher, Senatsbaudirektorin/Staatssekretärin Berlin a. D., heute stadtmacherin.ch, sei es, Mehrwerte mit den und für die Menschen vor Ort zu identifizieren und zu schaffen. Dann stosse auch die notwendige Verdichtung auf Akzeptanz. Dank innovativer Konzepte, die in Zusammenarbeit der Real-Estate-Industrie mit Planerinnen und Planern, der Politik und der öffentlichen Hand entstehen, könnte ein Grossteil der Einfamilienhäuser in Mehrparteienhäuser transformiert werden. Anreizmodelle, wie etwa ein Ausnutzungsbonus bei hervorragender Gestaltung und Nachhaltigkeit, dürften das Bauen im Bestand ökonomisch interessant machen.

Für das Austesten neuer Bau- und Wohnformen in neu eingezonten Gebieten sollte dabei genauso der Mut aufgebracht werden wie für die Hinterfragung von staatlichen Vorgaben, wie Professor Reiner Eichenberger, Universität Freiburg, betont. Denn Nachhaltigkeit dürfe nicht zu einer Übung in politischer Korrektheit und Klimakatechismus verkommen, sondern müsse wieder breiter verstanden werden – als eine andauernde, ausgewogene und robuste Weiterentwicklung von Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt.

Nachhaltigkeit als Geschäftsmodell erfordert ein gemeinsames Verständnis

Damit Nachhaltigkeit zum Geschäftsmodell wird, braucht es den Willen aller, ideologische Scheuklappen abzulegen. Prof. Dr. Donato Scognamiglio CEO von IAZI (Informations- und Ausbildungszentrum für Immobilien) sieht den Schlüssel zum nachhaltigen Erfolg in der Einbindung aller Stakeholder auf der gemeinsamen Suche und Formulierung von konstruktiven Lösungen. Auf der politischen Ebene braucht es zudem einen Konsens darüber, was wirklich nachhaltig ist und welche Standards sinnvoll sind.

Messbarkeit ermöglicht Innovation von nachhaltigen Baumaterialien und die Skalierung von Technologien. Mit künstlicher Intelligenz, virtuellen Technologien und smarter Datenanalyse ermöglichen digitale Zwillinge den Weg, um bereits in der Planung Simulationen zur Reduktion von Energieverbrauch und CO2-Emissionen durchzuführen, prognostiziert Kevin Baxpehler, Managing Partner Remagine Ventures. Gebäudepässe ermöglichen volle Datentransparenz und bestmögliche Nutzung von Informationen entlang des gesamten Lebenszyklus von Gebäuden. Der Zusammenschluss von Smart Buildings in Smart Cities erleichtert die Skalierung der Renovation im Bestand.

Doch wie genau eine Welt aussehen soll, in der «People, Planet, Profit» in Balance sind, sei heute noch nicht klar, diagnostiziert Lars Sommerer, Managing Director Swiss Proptech. Erst wenn eine klare Vision für die Zukunft von Real Estate den Weg leitet und durch die Wertschöpfungskette hindurch verständlich ist, können bürokratische Hürden im Unternehmen und der öffentlichen Hand weichen.

Der Weg liegt in der Vernetzung von Entscheidungstragenden und Macherinnen und Machern. Dabei kommt allen Stakeholdern der Werterhaltungskette eine wichtige Rolle zu: Herstellern und Handel, Bauherren und Eigentümern, Architekten und Planern, Bauberatern und -unternehmern, Facility Managern, Rückbauern und Wiederverwertern. Zusammen mit Wissenschaft, Finanzdienstleistenden, der Politik, der öffentlichen Hand und der Bewohnerschaft und Nutzenden beruht die Gestaltung der Zukunft des Bauwesens auf einer geteilten Autorenschaft, so Lüscher. Der Wille mag bekanntlich Berge versetzen. Das Branchenbekenntnis, nur Ziele umzusetzen, die nicht auf Kosten anderen gehen, führt zum Ziel.

Bildquelle: Sean Pollock

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