Tun was nötig ist: nachhaltiger leben
Die Schweiz liegt mit einer Recyclingquote von 53 Prozent für Siedlungsabfälle im europäischen Vergleich weit vorne. Das ist grundsätzlich positiv. Besorgniserregend ist jedoch, dass das Siedlungsabfallaufkommen mit durchschnittlich 716 Kilogramm pro Person eines der höchsten der Welt ist. Tendenz steigend. Verantwortlich dafür sind nicht nur die Unternehmen, welche in ihrem Produktdesignprozess die Entstehung von Abfall in Kauf nehmen, sondern auch wir Konsumenten und Konsumentinnen mit unserem Konsumverhalten.
Auf Zirkularität der Produkte achten
Der grösste ökologische Fussabdruck entsteht in der Phase der Produktentwicklung. Hier entscheidet sich, welche Materialien verwendet werden und somit auch, wie langlebig ein Produkt sein soll und was die damit verbundenen Kosten für Transport- und Lageraufwände sind.
Bei zirkulär gestalteten Produkten können im optimalen Fall alle Komponenten repariert werden. Der Materialeinsatz kann so reduziert werden, dass weniger oder einfacher rezykliert werden kann. Im Idealfall ist es ein stoffliches Nullsummenspiel: Nichts geht verloren, alles wird wiederverwendet und in den Materialkreislauf zurückgeführt. Dazu werden Materialien eingesetzt, die am Ende der ersten Nutzungsphase wiederaufgearbeitet, umgenutzt und wiederverwendet werden können.
Beispiele für langlebige und multifunktionelle Produkte sind etwa Taschen aus Bananenfaser-Textilien oder ein modulares Sofa. Erstere sind über den biologischen Kreislauf rezyklierbar und können somit theoretisch wieder zu Ressourcen für den nächsten Bananenbaum werden. Das Projekt Cloud Sofa nutzt den technologischen Kreislauf, indem gebrauchtes Füllmaterial als Sofapolsterung verwendet wird. Das Sofa ist zudem so designed, dass die Kundschaft Reparaturen selbst durchführen kann, wodurch die Lebensdauer des Produkts verlängert wird.
Konsumieren, was wirklich nötig, nicht was möglich ist
Kaufe ich mein Take-away im Einweg-Plastikbehälter oder bringe ich einen rezyklierbaren Behälter mit? Als Konsumenten müssen wir im Alltag eine Vielzahl solcher Entscheidungen fällen. Einweggeschirr oder Plastiktüten haben eine sehr kurze Lebensdauer und sind verantwortlich für 70 Prozent des gesamten Meeresmülls in EU-Gewässern.
Ein gravierendes Beispiel des linearen Wirtschaftens nach dem Motto «Take-make-waste». Durch ein steigendes Bewusstsein in der Bevölkerung für umweltschonende Produkte haben sich bereits heute führende Nahrungsmittelkonzerne, der Detailhandel, Verpackungshersteller und Gastronomie- und Hotelmanagementunternehmen zusammengeschlossen. In der Initiative PRISMA wollen sie vermehrt Prinzipien der Kreislaufwirtschaft in Verpackungen integrieren. Als Konsumierende können wir etliche Plattformen und Shops wie MoveTheDate, Rrrevolve oder Circle Shop nutzen, welche uns helfen, Ressourcen zu sparen. Tools wie Footprint-Rechner schaffen nicht nur Transparenz über den eigenen ökologischen Fussabdruck, sondern bieten auch Tipps und Tricks, um das eigene Konsumverhalten auf das wirklich Notwendige auszurichten.
Die bessere Frage stellen
Welchen Einfluss auf die Umwelt hat meine Entscheidung, ob ich die Gurke mit oder ohne Plastikverpackung kaufe? Welche Auswirkungen auf das Ökosystem in den Meeren ergeben sich durch den Kauf einer Gesichtscreme mit Mikroplastik? Als Konsumierende wollen wir verstehen, woher das Produkt kommt, was es enthält und was die Folgen unseres Konsums sind. Transparenz über die relevanten Daten ist die Grundlage, damit wir Antworten auf diese Fragen und mögliche Lösungswege finden. Auch hier kann auf digitale Tools zurückgegriffen werden.
Die Plattform Codecheck beispielsweise hilft dabei, die Inhaltsstoffe und Zusammensetzungen von Lebensmitteln und Kosmetika zu erkennen. Auch die grössten Emittenten in den Bereichen Wohnen, Mobilität und Textilien erkennen dieses Potenzial. Materialkataster wie Madaster für den Bau- und Immobiliensektor helfen dem Eigenheimbauer, komplette Transparenz über den finanziellen und zirkulären Wert der in der Liegenschaft verbauten Materialien zu erhalten. Noch sind die verschiedenen Branchen nicht so weit, um das volle Potenzial solcher Tools zu nutzen. Doch wir als Konsumierende können bei der Wahl von Kleidung, Fahrzeug oder Wohnung dem Anbieter die Frage nach Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung stellen und somit für eine Veränderung der Nachfrage sorgen. Dies hat wiederum Auswirkungen auf das Angebot, da Zwischenhändler im Einkaufsprozess die Konsumentenfragen an die Hersteller weitergeben.
Gebrauchen statt besitzen
Benötige ich eine Bohrmaschine als Eigentum oder kann ich sie mit meinen Nachbarn teilen? Nüchtern betrachtet ist für uns nur das Ergebnis, das ein Produkt liefert, nützlich. Eigentum als solches bringt in der Regel keinen Mehrwert – höchstens ein Gefühl von Macht und Status. Indem wir unser Verhalten hin zu einer Sharing-Economy ändern, können wir die Grundlage für ein neues Wirtschaftssystem legen. Bei diesem Modell – auch Product as a Service genannt – übernimmt der Hersteller die Verantwortung dafür, was mit dem Produkt und den darin enthaltenen Materialien während des gesamten Lebenszyklus geschieht.
Unternehmen können so die Kontrolle von Lieferketten gewährleisten und länger auf qualitativ hochwertige Materialien zugreifen, wodurch mögliche Rohstoffengpässe verhindert werden können. Gleichzeitig reduzieren sich die Auswirkungen der verwendeten Ressourcen auf das Klima und die Umwelt. Als Konsumierende profitieren wir von diesem Modell, da Verpflichtungen, die mit dem Eigentum entstehen, wie beispielsweise die regelmässige Wartung eines Fahrzeugs, entfallen. Beispiele dafür aus dem Bereich der Mobilität sind die Sharingangebote Mobility und PubliBike. Alltagsgegenstände können über die Plattform Sharely.ch gemietet werden, weitere Beispiele solcher Mietmodelle finden sich für Jeans, Tintenpatronen, Waschmaschinen oder Kleider.
In Zirkularität investieren
Wie kann sich ein nachhaltiges, zirkuläres Wirtschaftssystem nicht nur in Nischen, sondern auch gesamtgesellschaftlich entwickeln? Wie lässt sich wirtschaftliches Wachstum von der Ressourcenverschwendung entkoppeln? Um die Antwort darauf zu finden, braucht es Mut und Innovation, um zu der Wertschöpfung auch die Werterhaltung als Geschäftsmodell zu etablieren.
Pioniere in diesem Bereich können wir als Konsumierende fördern. Immer mehr Banken und Investmentfirmen bieten Circular-Economy-Anlagestrategien. Das Start-up Inyova bietet auf seiner Investmentplattform die Möglichkeit, auch mit kleineren Geldbeträgen sinnvolle Anlagemöglichkeiten zu tätigen. Als Konsumierende und Anlegende haben wir es in der Hand, die Finanzströme in eine nachhaltige Richtung zu lenken. Wenn wir unermüdlich die bessere Frage stellen, können wir für eine nachhaltige Veränderung des Wirtschaftssystems sorgen.