Die 7 grössten Mythen über die Kreislaufwirtschaft

Anliegen von Umweltschützern und Unternehmen sind unvereinbar, so lautet eine gängige These: Die eine Seite möchte die Umwelt erhalten und schützen, die andere ist nur am Profit interessiert. Weniger bekannt ist, dass die Kreislaufwirtschaft alle diese Ziele berücksichtigt. Obwohl mittlerweile viel über Kreislaufwirtschaft oder die «Circular Economy» gesprochen wird, kursieren viele Missverständnisse über das Modell. Wir räumen mit den grössten Mythen auf.

Mythos 1: Kreislaufwirtschaft ist nur ein anderer Begriff für Recycling

Missverständnis: Kreislaufwirtschaft ist ein Instrument, mit dem ausschliesslich der ökologische Fussabdruck verringert werden kann.

Realität: Die Kreislaufwirtschaft ist ein ganzheitliches und dynamisches System, das den Wandel eines gesamten Geschäfts- oder Wirtschaftsmodells bedingt. Während wir im linearen Wirtschaftssystem Materialien produzieren, sie nutzen und anschliessend entsorgen, werden diese in der Kreislaufwirtschaft immer weiterverwendet. Langlebigkeit und Reparaturfähigkeit von Produkten werden von Anfang an mitgedacht. So fördert die Kreislaufwirtschaft auch die Entstehung neuer Geschäftsmodelle, die beispielsweise Sharing-Modelle und Trade-Ins umfassen können.

Mythos 2: Ein zirkuläres Geschäftsmodell bremst den Umsatz und ist teuer

Missverständnis: Ein zirkuläres Geschäftsmodell drosselt den Umsatz und kommt Unternehmen teuer zu stehen. Denn wenn Kunden ihre Produkte länger nutzen, kaufen sie langfristig weniger.

Realität: Langlebige Produkte senken nicht nur Kosten, die durch Produktrückgaben entstehen, sie steigern auch die Kundenbindung. Das Modell eröffnet neue Geschäftsmöglichkeiten für Servicepakete wie Reparatur- und Wartungsleistungen.

Die Kosten eines kreislauffähigen Systems werden insbesondere in der Beschaffung immer wieder diskutiert. Es gibt jedoch verschiedene Modelle, mit denen die Beschaffung innovativ und auf dem aktuellen Marktpreisniveau erfolgen kann. Ein Beispiel ist das Rahmenwerk The Vested Way. Es basiert auf einer Auftragsvergabe auf Nullbasis, bei der die Preisgrenze auf dem Niveau aktueller Marktpreise liegt. Dieses Beschaffungsmodell schafft Anreize für alle Parteien, Kosten und Ergebnisse zu verbessern.

Mythos 3: Die Kreislaufwirtschaft hat negative Auswirkungen auf Produzenten

Missverständnis: Durch die Wiederverwendung von Materialien leiden insbesondere Produzenten unter den negativen Auswirkungen.

Realität: Wenn Unternehmen vorhandene Ressourcen und Materialien nutzen und diese nicht neu herstellen müssen, sind sie weniger auf Lieferanten angewiesen und wirtschaften mit Ressourcen, die bereits in ihrem Besitz sind. Der Schweizer Walter Stahel forscht seit über 40 Jahren zur Circular Economy. Er empfiehlt, Ressourcen als Service zu begreifen und diese auch als Service zu verkaufen.

Grosse Unternehmen nutzen dieses Wissen bereits für sich. Jaguar Land Rover hat Zirkularität in seinen Design- und Montageprozess integriert und verwendet in einigen seiner Automodelle zu 50% recycelte Materialien, darunter auch Aluminiumschrott aus dem eigenen Produktionsbetrieb. In Anbetracht der Abhängigkeit der Automobilkonzerne von diesem hochwertigen Material, gewährt das Modell dem Unternehmen Sicherheit und ist wirtschaftlich sinnvoll.

Mythos 4: Kreislaufwirtschaft schadet dem Wirtschaftswachstum

Missverständnis: Die Kreislaufwirtschaft schafft keine neuen Arbeitsplätze und bietet keine Vorteile zum linearen Wirtschaftsmodell.

Realität: Die Kreislaufwirtschaft hat das Potenzial Arbeitsplätze zu schaffen. Ein Bericht des World Economic Forums in Kollaboration mit der Ellen MacArthur Foundation und McKinsey zeigt, dass der Wandel zur Kreislaufwirtschaft mehr als eine halbe Million Arbeitsplätze schaffen kann: Und das nicht nur in neu entstehenden Branchen, sondern sie macht auch bestehende Unternehmen zukunftsfähig und sichert langfristig den Unternehmenserfolg. Je früher sich ein Unternehmen den aktuellen Gegebenheiten anzupassen weiss, desto geringer ist das Risiko, überflüssig oder ersetzt zu werden.

Mythos 5: Die Kreislaufwirtschaft adressiert nicht den Klimawandel

Missverständnis: Die Kreislaufwirtschaft widmet sich zwar Umweltthemen, der Klimawandel steht jedoch nicht ganz oben auf der Agenda.

Realität: Die Kreislaufwirtschaft hat das Potenzial, erheblich zur Reduktion von Kohlenstoffemissionen beizutragen. Laut einem Bericht von Carbon Trust, dem Knowledge Transfer Network und der Coventry University wird bei der Wiederaufbereitung von Materialien im Gegensatz zur Neuproduktion 85 Prozent weniger Energie verbraucht. Weltweit besteht das Potenzial dadurch mehr als 800.000 Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr auszugleichen. Das Gesamtpotenzial ist noch grösser, denn Wiederaufbereitung ist nur eine Komponente der Circular Economy.

Mythos 6: Kreislaufwirtschaft steht für perfekt geschlossene Kreisläufe

Missverständnis: Die Kreislaufwirtschaft ist ein perfekt kreisförmiges Wirtschaftssystem mit geschlossenen Kreisläufen.

Realität: Der Begriff Kreislaufwirtschaft bedeutet nicht, dass das Wirtschaftssystem zu 100 Prozent kreisförmig ist. In Abgrenzung zur linearen Wirtschaft soll jedoch deutlich werden, wie sich Dinge in einer natürlichen Bio- und Atmosphäre verhalten. Der Mensch ist in Kreisläufe eingebettet.

Streng genommen ist auch eine lineare Wirtschaft nicht ganz linear. Viele Dinge kehren auf chaotische und umweltschädliche Weise zurück. Die lineare Wirtschaft ist in Teilen auch «kreisförmig», allerdings mit erheblichen negativen Auswirkungen in jeder Phase des Prozesses.

Der Begriff «Kreislaufwirtschaft» soll die Vorstellung wecken, dass Feedbackschleifen einen Mehrwert schaffen. Sie ermöglichen Erneuerung und Wiederherstellung, statt zu Verfall und Abnutzung zu führen. Sie passt die Wirtschaft der Natur an, nicht die Natur der Wirtschaft.

Mythos 7: Der Wandel wird augenblicklich passieren

Missverständnis: Der Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft passiert von heute auf morgen.  

Realität: Kreislaufwirtschaft ist keine Lösung «von der Stange». Viele Unternehmen sind schnelle Lösungen gewohnt und wünschen sofortig sichtbare Ergebnisse. Das erwarten sie auch von der Kreislaufwirtschaft. Veränderung braucht jedoch Zeit. Die Kreislaufwirtschaft kann nicht als fertige Lösung konsumiert werden. Sie erfordert eine Evolution. Bei all dem sind wir sowohl aktiver Teilnehmer als auch Verbraucher.

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