Kreislaufwirtschaft als Schlüsselstrategie zur Verringerung der Kohlenstoffemissionen im Bau

Eine neue Studie mit Beteiligung der ETH (CEA) untersuchte die Anwendung von 133 Kreislaufstrategien in 65 Bauprojekten. Fazit: Zur Realisierung der grossen Potentiale der Zirkularität für die Dekarbonisierung muss effektiv umgesetzt sowie Bewertungskriterien transparent gemacht und harmonisiert werden.

Es besteht zunehmend Konsens, dass die Anwendung der Kreislaufwirtschaft in der Bauwirtschaft entscheidend für das Erreichen der Ziele des Pariser Abkommens zur Kohlenstoffreduzierung ist. Vor diesem Hintergrund fördert die europäische Politik ihre Umsetzung. In den letzten Jahren wurden zirkuläre Strategien in zahlreichen Bauprojekten angewendet und getestet. Die Erkenntnisse über ihre Umsetzung und ihr Dekarbonisierungspotenzial sind bislang jedoch (noch) begrenzt.

Die vorliegende Studie mit Beteiligung der ETH (CEA) ist eine der ersten umfassenden Analysen über die Anwendung und das Dekarbonisierungspotenzial von Kreislaufstrategien in der Bauindustrie in der Praxis. Sie untersucht und visualisiert 65 Neubau-, Renovierungs- und Abrissprojekte in Europa, anhand konkreter Projekte sowie existierender Literatur. Die Studie nahm die umgesetzte zirkuläre Lösung, den Grad der Anwendung in Gebäuden und das berichtete Dekarbonisierungspotenzial in den Blick.

Insgesamt wurden 133 Anwendungen von Kreislaufstrategien in Bauprojekten ermittelt:

  • Bei Neubauprojekten waren die Verlangsamung und Schliessung des Ressourcenkreislaufs in den untersuchten Fällen am stärksten ausgeprägt. Dies wurde meist durch eine auf Dauerhaftigkeit, Anpassungsfähigkeit, Demontage und Wiederverwendung ausgerichtete Gestaltung erzielt.
  • Bei Renovierungsprojekten wurden Massnahmen zur Verengung des Ressourcenkreislaufs (z.B. durch verbesserte Energieeffizienz), zur Verlangsamung des Kreislaufs und zur Regeneration (z.B. Verwendung biobasierter Materialien) gefunden. Hier zeigt sich grosses Potenzial für die Kombination von Strategien. So kann neben der betrieblichen Effizienz von Gebäuden auch durch die Wiederverwendung bzw. Wahl von Materialien Dekarbonisierung erzielt werden.
  • Bei Abrissprojekten konzentrierten sich Strategien auf die Schliessung des Materialkreislaufs durch Wiederverwendung und -verwertung von Materialien.

Schlussfolgerungen:

  • Die Studie konnte das signifikante Dekarbonisierungspotenzial durch die Anwendung von zirkulären Konstruktionsarten bei Neubau-, Renovierungs- und Abrissprojekten belegen. Dies zeigt, dass für jeden der drei Projekttypen die Kreislaufwirtschaft als eine Schlüsselstrategie zur Verringerung der Kohlenstoffemissionen in der Bauindustrie angesehen werden kann.
  • Die Dekarbonisierungspotenziale variieren jedoch stark zwischen verschiedenen Bauprojekten und Anwendungen von Kreislaufstrategien. In aufgelisteten Stichproben wurden Emissionsreduktionen im Rahmen von einem bis 156 Prozent ermittelt. Dies deutet darauf hin, dass eine effektive Umsetzung von Strategien für Zirkularität in der Planung und Realisierung zur Nutzung potenzieller Umweltvorteile unerlässlich ist.

Einschränkungen und Empfehlungen:

  • Im Zentrum der Studie standen Umweltauswirkungen, dabei besonders der CO2-Fussabdruck mit Hinblick auf die globale Erwärmung. Die Berücksichtigung auch anderer Auswirkungen wäre jedoch entscheidend, um eine Lastverschiebung auf andere Risiken, u.a. für die menschliche Gesundheit zu verhindern. Zusätzliche Nachhaltigkeitsanforderungen wie erschwinglicher Wohnraum und die Elektrifizierung der Mobilität wurden in der Studie nicht berücksichtigt.
  • Der Mehrwert von Zirkularität angesichts der zunehmenden Ressourcenknappheit für die Bauindustrie wurde ebenfalls nicht in Analysen miteinbezogen.
  • Zur Bewertung des Dekarbonisierungspotenzials stützt sich die Studie auf Ökobilanzen. Diese sind jedoch stark von methodischen Entscheidungen während der Bewertung abhängig. Obwohl Standards für die Bauindustrie entwickelt wurden, ist die derzeitige Anwendung in Wissenschaft und Industrie sehr unterschiedlich. Dies schränkt die Vergleichbarkeit von Ergebnissen ein und erlaubt Priorisierung von Strategien nur mit Vorbehalten. Die Autoren sind sich einig, dass eine Harmonisierung der Methodik sowie Transparenz für die Bewertung von Kreislaufstrategien in Gebäuden auf europäischer Ebene erforderlich ist. Sie empfehlen, Untersuchungen fortzusetzen und auch Parameter für die Bewertung der Skalierbarkeit von Lösungen zu ermitteln.
  • Weiter betonen die Autoren die Notwendigkeit künftiger Forschung, um Anwendungen von Kreislaufstrategien mit hohem Dekarbonisierungspotenzial zu ermitteln, die über ein einmaliges Projekt hinaus umgesetzt werden können (z. B. die Wiederverwendung von Ziegeln und Stahlträgern).
  • Nicht zuletzt schliesst die Studie auch, dass es entsprechender Politik, Marktentwicklung sowie vielversprechender, skalierbarer Lösungen für Bauprozesse bedarf, um Zirkularität in der Bauindustrie voranzutreiben.

Sind Sie interessiert die gesamte Arbeit zu lesen? Sie finden diese online hier.

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